INTUICIONES

artworks by Manuel Giron

photography . short stories . video . music . painting

Manuel Girón – ein Mann, der Zeit hat


Keine Zeit – Dieses Mantra moderner Gesellschaften beschäftigt Manuel Girón in seinem neuen Buch «Frischer Wind». Der gebürtige Guatemalteke lebt seit 1990 in St. Gallen. Hier ist er als Maler, Fotograf, Videokünstler und Schriftsteller tätig, in seinem Heimatland hatte er Kunst und Psychologie studiert. Vor fünf Jahren verlieh ihm St. Gallen den städtischen Werkpreis für «Das grüne Auge». Mit dieser Foto- und Video-Ausstellung hatte er dem St. Galler Stadtpark eine Liebeserklärung und sich selbst einen Namen gemacht.


Gestalterisch strebt der Mann, der es nicht mag, gesiezt zu werden, nach der Darstellung alltäglicher Schönheit. Mit seinen Geschichten aber sucht er nicht nur den kulturellen Austausch, sondern auch die Konfrontation mit gesellschaftlich eingespielten Verhaltensmustern und Klischees.


Heitere und kritische Töne


Fühlt er sich fremd? «Nein, ich bin hier genauso zu Hause, wie in Guatemala», antwortet der 52-Jährige. «Aber ich mag es, die Perspektive zu wechseln.» So beschreibt er in seinen Büchern oft typisch schweizerisches Verhalten aus der Sicht eines Guatemalteken. In der Erzählung «Der Kinosessel» zum Beispiel kokettiert er mit der helvetischen Exaktheit. Darin wird ein Neuankömmling im Lande Tells in einem halbleeren Kinosaal immer wieder von höflichen Eidgenossen gebeten, sich umzusetzen, da er auf ihren Plätzen sitze.


Es ist aber nicht nur die heitere Seite des Andersseins, die er beleuchtet. In seinem neuesten Buch versuchen die Protagonisten zuweilen verzweifelt, sich im Paradies der Konsumtempel zurechtzufinden. Dabei ist Girón vor allem die Erfüllung künstlich geschaffener Wünsche ein Dorn im Auge.


Sein Stil ist umgangssprachlich, der Text lebensnah, das Ziel Reflexion. Seine Erzählungen erscheinen alle auf Spanisch und Deutsch, dies in derselben Ausgabe. Um den kulturellen Austausch zu fördern, hat der Künstler die Casa Latinoamericana mitgegründet, wo Konzerte, Filmabende und Ausstellungen, aber auch Sprach- und Literaturkurse stattfinden. «80 Prozent der Leute, die zu uns an die Eisengasse kommen, sind Schweizer», sagt er.


Die Schweizer leben schnell


Welches sind die kulturellen Unterschiede? «In der Schweiz hat das Leben einen anderen Rhythmus als in Guatemala. Es ist viel schneller», konstatiert Girón. In «Frischer Wind» sinniert er, die Zeit sei keine Sache, sondern eine vom menschlichen Gehirn geschaffene Abstraktion. Zu sagen «Ich habe keine Zeit», bedeute zuzugeben, dass unsere eigene Erfindung mit uns mache, was sie wolle. Es sei deshalb ein Ausdruck des Scheiterns.


Eine gewagte Aussage. Nicht jeder geniesst das Privileg, sich seine Zeit frei einteilen zu können. «Man muss Prioritäten setzen», entgegnet der Künstler. Da würde ihm wohl jeder erfolgreiche Manager zustimmen. Der Familienvater spielt aber auf eine gesellschaftliche Umorientierung an.


«Gegen den Strom»


Als Kind habe er gelernt, dass die Familie im Zentrum der Gesellschaft stehe. In modernen Gesellschaften sei dies die Arbeit, denn für sie werde die meiste Zeit aufgewendet. Zu viel, wie er findet. Darin sieht er auch den Grund dafür, dass viele Familien auseinander brechen. Er geizt nicht mit kritischen Tönen und ist Idealist aus Überzeugung. «Ich schwimme lieber gegen den Strom.» Er zitiert den katalanischen Schriftsteller Carlos Ruiz Zafón: «Das Schicksal macht keine Hausbesuche», und fügt hinzu: «Wir müssen unser Leben selbst gestalten.»

Regina Partyngl

Aus dem TAGBLATT vom Montag, 6. November 2006. © St.Galler Tagblatt AG | http://www.tagblatt.ch



Maler, Dichter und Zwei-Welten-Bürger


Manuel Giron in der Galerie zur Alten Bank niederuzwil.


Der Guatemalteke Manuel Giron hat sich in St.Gallen niedergelassen und arbeitet dort als Künstler, Autor und Hispanist. Seine Ausstellung zeigt Werke aus seiner jüngsten Schaffenszeit.


Mittelamerika ist in seinen Bildern unverkennbar präsent. Tropisch-drückende Wärme, ein frischer Meereswind und Zeit, ja viel Zeit scheint zum Beispiel «Blauer Fluss» oder «Fische im Spiel» in opulentem Ausmass vorhanden zu sein. «Die Zeit ist eine vom menschlichen Gehirn geschaffene Abstraktion», schreibt Manuel Giron in einem seiner Bücher. «Die Antwort <Ich habe keine Zeit> ist ein Ausdruck des Scheiterns, unsere eigene Erfindung macht mit uns was sie will.»


Bürger zweier Welten


Giron hat seine Bücher in Europa geschrieben, seine Erkenntnisse hat er in der westlichen Zivilisation gewonnen. In Guatemala, wo Giron 1954 geboren wurde und aufgewachsen ist, hat die Zeit eine andere Dimension. Welche Dimension, das lässt sich nur erahnen, eine Hilfe dafür sind die Bilder des Zwei-Welten-Bürgers. Die meisten ausgestellten Werke werden erst im oberen Drittel förmlich, darunter liegt eine Stille in prallen Farben. So als fände alles Leben auf einem Ozean mit unendlichen Dimensionen statt, einem Ozean voller Zeit, Beschaulichkeit und Meditation. Darüber das Leben, wie an die Oberfläche gespült: Spielende Fische, tanzende Schmetterlinge, eine sich sonnende Eidechse. Und das alles in satten Farben durchs ganze Spektrum, in mittelamerikanisch warmen Farben, selbst das Blau des Wassers ist warm, das Gelb, das Apricot, das Rot ohnehin. Mit Manuel Giron erhält die Galerie zur Alten Bank in diesem feucht-grauen Februar eine kräftige Brise tropischer Assoziationen aus dem Land zwischen den Weltmeeren. Der Künstler selbst spricht im Zusammenhang mit seinen Werken von ausgedrückten Gefühlen. Da hat das Denken nicht viel Platz. Denken - im Zusammenhang mit Kunst - täte er beim Schreiben seiner Bücher. So erkannte auch die Laudatorin Cecilia Hess-Lombriser richtig: «Was soll ich also die gemalten Gefühle zerreden?»


In die Gesellschaft eingebracht


Manuel Giron lebt seit 16 Jahren in St.Gallen. Er hat dort viele seiner Neigungen und Fähigkeiten in die Gesellschaft eingebracht. Neben seiner Tätigkeit als Maler macht er auch Foto- und Videokunst, wirkt als freier Schriftsteller und als Hispanist in der Freihandbibliothek. Obwohl er in Guatemala-Stadt nebst Kunst auch Psychologie studiert hat, hat er diese Berufsrichtung nicht weiterverfolgt und sich ganz der Kunst verschrieben.


Gleichzeitig mit der Ausstellung informiert die Guatemala-Gruppe der Christkönigspfarrei über ihr Unterstützungsprojekt an einer landwirtschaftlichen Schule in Cahabón. Ein Video-Film gibt Einblick in das Projekt. Ausserdem wird Giron am 18. Februar um 17 Uhr aus seinem neuesten Buch «Frischer Wind» lesen.


Michael Hug | Tagblatt, Montag, 5. Februar 2007




Ungewöhnliche Ausstellung


Der Guatemalteke Manuel Girón aus St.Gallen stellt in der Galerie zur Alten Bank aus


NIEDERUZWIL. Am Freitag, 2. Februar ist um 19 Uhr Vernissage zu einer ausserordentlichen Ausstellung. Gegenseitige Ressourcen werden genutzt. Manuel Girón stellt Bilder und Fotografien aus, die Guatemala-Gruppe der Christkönigspfarrei Niederuzwil stellt ihr Projekt vor.


Seit 1990 lebt Manuel Girón in St.Gallen. Er ist Maler, Fotograf, Videokünstler und Schriftsteller, Berater für Spanische Literatur bei der Freihandbibliothek St.Gallen, er erteilt Spanischunterricht und er bekam 2001 den Städtischen Werkpreis St.Gallen für das Projekt «Das grüne Auge»: Fotografien und Film über den Stadtpark St.Gallen.


Sinnliche Lust


In der Galerie zur Alten Bank stellt Manuel Girón Bilder und Fotografien aus. Farbenfrohe, leuchtende Bilder, geschaffen aus dem Seelenfundus, der durch die Erfahrungen in Guatemala, seiner Kultur und seines Lichts geprägt ist. Die Fotografien zeigen überraschende Perspektiven. Die Spielfreudigkeit und die sinnliche Lust kommen sowohl in den Fotografien wie in den Bildern zum Ausdruck. An der Vernissage wird Cecilia Hess-Lombriser die Besucherinnen und Besucher auf eine Gedankenreise mitnehmen, ausgelöst durch die Begegnung mit dem Künstler.


Am 18. Februar, um 17 Uhr, am letzten Tag der Ausstellung, wird Manuel Girón aus seinem im Herbst erschienenen Buch «Frischer Wind» vorlesen.


Die Öffnungszeiten: Freitag, 18 bis 20 Uhr, Samstag und Sonntag, 10 bis 12 Uhr und 14 bis 18 Uhr. Am Samstag, 10 Februar und Sonntag, 18. Februar ist der Künstler anwesend.


P.D. | Wiler Zeitung, Mittwoch, 31. Januar 2007




Windmühlen aus Worten


Die Freihandbibliothek lädt zu einer Lesung mit dem Autor und Künstler Manuel Girón. Er liesst aus seinem neusten Buch «Frischer Wind» (Viento Fresco). Manuel Girón, geboren in Guatemala, lebt und arbeitet in St. Gallen. In «frischer Wind» baut der Autor Windmühlen aus Worten, die vom Wind ein immerwährendes Gebet fordern. So wird dieses Buch zu einer erzählenden Erinnerung, einer Gefühlsschilderung, zu Nostalgie und Hoffnung.


Girón macht auch Filme, Videos und fotografiert. 2002 hat er etwa zusammen mit dem St. Galler Maler und Bildhauer Max Oertli ein Fotobuch veröffentlicht. Girón bedient sich einer klaren, einfachen und häufig sogar umgangssprachlichen Ausdrucksweise und macht sich durch die Frische seiner Erzählungen die Leser zu Komplizen. Der Autor liesst in Spanisch vor, die deutsche Übersetzung kommt von Klaus Amann. (pd)

Morgen Do, Freihandbibliothek, 19.30 Uhr, Eintritt frei

Aus dem TAGBLATT vom Mittwoch, 25. Oktober 2006. © St.Galler Tagblatt AG | http://www.tagblatt.ch



Im Gespräch P. S.

In mehreren Welten zu Hause

Der Maler und Schriftsteller Manuel Girón stammt aus Guatemala und lebt heute in St. Gallen. Im Mai stellt er in Zürich seine neue Bildreihe aus, eine Mischung aus abstrakten und konkreten Elementen in Acryl und Gouache. Über seine Arbeit sprach Sharon Lopata mit ihm.

P.S.: Auf Ihrer Homepage geben einige Bilder einen Vorgeschmack auf Ihre Ausstellung. Mir fallen die warmen Farbtöne auf. Liegt der Ausstellung ein Leitmotiv zugrunde?

Manuel Girón: Die Farbe betrachte ich in all meinen Bildern als das Hauptsächliche. Dabei dominieren intensive Farben, braun, rot, gelb und nicht die sanfte Töne. Ich denke, dass das auf meine Wurzeln zurückzuführen ist. In Guatemala, meinem Herkunftsland, gibt es sehr viel Licht, viele kräftige Farben. Denken Sie an die Gewänder der indigenen Bevölkerung. Man ist ständig von einem sehr breiten Farbspektrum umgeben.

An der Ausstellung in Zürich wird eine Serie der vier Elemente - Feuer, Wasser, Luft und Erde - zu sehen sein. Es handelt sich um abstrakte Gemälde. In ihnen habe ich eine neue Technik entwickelt. Zunächst trug ich Acrylfarbe auf die Leinwand auf, die ich mit Harz und Pigment beschichtete. Weiter verwendete ich eine Technik, die dazu führt dazu, dass einzelnen Elemente eine zarte Erscheinung annehmen, so etwa das Geäst, das sich im Bild mit den beiden Bäumen zu verflüchtigen scheint. Das Bild mit den beiden Bäumen repräsentiert übrigens den zweiten neuen Aspekt meiner Malerei: Der obere Bildteil ist figürlich, konkret, die untere Hälfte ist abstrakt. Diese beiden Ausdrucksformen habe ich in mehreren Arbeiten verbunden und gedenke, weitere folgen zu lassen. In der lateinamerikanischen Malerei herrscht auch heute der figurative Stil vor, Abstraktes findet man selten. Mich selbst betrachte ich als Produkt vielfältiger Einflüsse und habe das Gefühl, in diesen Bildern meinen ganz persönlichen Stil zum Ausdruck zu bringen. Während der Entstehung der Werkreihe habe ich sehr viel hinzugelernt. Der Rahmen für die Ausstellung stand fest, zusammen mit dem Galeristen hatte ich ihn vereinbart; er wünschte sich eine Mischung konkreter und abstrakter Malerei.

Sie fotografieren und filmen auch. War von Anfang an klar, dass in dieser Ausstellung lediglich die Malerei zum Zuge kommen wird?

Ja, das stand fest; die Galerie ist auf Öl- und Acrylgemälde spezialisiert. Da sie den Bildern keine Schutzgläser vorhängt, wird meine Harz-Technik dort besonders zur Geltung kommen. Vor rund zwei Jahren kam ich zum ersten Mal mit der Zürcher Galerie in Kontakt. Ihr Besitzer besuchte mich in St. Gallen und es kam zwischen uns zur Absprache. Vor kurzem haben wir uns erneut getroffen; er war begeistert vom Entstandenen. In den vorigen zwölf Monaten habe ich mich dieser Werkreihe gewidmet, im letzten Monat fast ausschliesslich. Zuvor nahmen mich zwischenzeitlich andere Arbeiten stärker in Anspruch. Ebenfalls ab Mai wird eine weitere Serie meiner Bilder im Völkerkundemuseum St. Gallen zu sehen. Sie folgt einem anderen Stil: Weisse und farbige Sujets heben sich von einem schwarzen Hintergrund ab, teilweise ergänzen Wortfolgen im Bild die Konturen.

Ende Juni publizieren Sie ja auch noch einen neuen Band Kurzgeschichten. Haben Schreiben und Malen einander beeinflusst?

Zwar erwachen während des Schreibens immer wieder Bilder in meinem Kopf, die später als Motive beim Malen einfliessen können. Doch in diesem Fall war es anders, da ich mit zwei Ausnahme die Geschichten bereits in spanischer Sprache verfasst hatte, als ich mit der Vorbereitung der Ausstellung begann. Für den aktuellen Band in deutscher Sprache waren sie lediglich zu übersetzen. Sie handeln von Begegnungen unterschiedlicher Kulturen, von Einsamkeit, Hoffnung, Drogenhandel und Kritik an Konsumgesellschaft und zunehmender Globalisierung. Zu dieser Kurzgeschichten-Sammlung gab mir ein Freund den Kommentar, es handle sich um «frischen Wind». Das hat mir sehr gut gefallen und so nannte ich den Band «Viento fresco». Ich hoffe, dass ich genau das - die Ermutigung, zwischendurch einen frischen Blick auf die Dinge zu werfen - auch an meinen Lesungen zu vermitteln vermag, sei es hier in der Schweiz oder in Guatemala. Lässt man sich ganz vom Alltagstrott gefangen nehmen, verschliesst man sich gegenüber neuen Perspektiven, das Leben wird langweilig.

Erhalten Sie denn auch Rückmeldungen aus Guatemala auf Ihr Schaffen hier?

Bevor ich in Guatemala an die Kunstakademie kam, hatte ich ein kurzes Intermezzo am Konservatorium - ich sah bald ein, dass ich kein guter Musiker bin. Doch habe ich dort wertvolle Freundschaften geknüpft, die noch bis heute fortdauern. Meine Freunde leben zwar verstreut auf der ganzen Welt, einige blieben in Guatemala, einer wanderte nach Hamburg aus, andere wohnen in den USA, Frankreich, Spanien. Wir tauschen uns aber rege aus und sie lassen mich wissen, was sie von meinen Arbeiten halten.
Mit der Malerei begann ich 1983 in Guatemala. Dort hatte ich bereits mehrere kleinere Ausstellungen, bevor ich in die Schweiz kam. Seither habe ich während temporärer Aufenthalte in Guatemala mehrfach meine Videos und Fotos gezeigt und Lesungen veranstaltet.
Zwei meiner Freunde arbeiten in der Kulturredaktion der «Prensa libre», der auflagenstärksten Zeitung des Landes. Ihnen schicke ich regelmässig Auszüge meiner Schreibtätigkeit und sie liefern mir ihre Meinung. Ab und zu veröffentlichen sie auch eine meiner Geschichten. Regelmässig komme ich in dieser Zeitung im politischen Bund zu Wort, wo ich die Entwicklung des Landes kommentiere.

In St. Gallen haben Ihre Werke, darunter die Fotoserie zum Stadtpark, die Aufmerksamkeit der Presse geweckt. In den meisten Rezensionen werden Sie als Mensch dargestellt, der aus der Fremde gekommen ist und sich nun langsam hier einfindet. Fühlen Sie sich, nachdem Sie bereits seit rund 15 Jahren hier leben, durch solche Beschreibungen nicht in eine Rolle gedrängt?

Es ist mir tatsächlich eine Rolle und damit auch eine Richtung zugewiesen worden: Der Guatemalteke, der die Gewohnheiten und das Wesen «der» Schweizer beobachtet. Wenn man mich so sehen möchte, akzeptiere ich das. Meinem Empfinden entspricht allerdings eher, ein Bürger mit zwei Nationalitäten zu sein. Mir ist klar, dass ich, um mich weiterentwickeln zu können, den Zugang zu einer breiteren Öffentlichkeit finden muss. Ich muss mich über die Grenzen St. Gallens, auch über die Schweiz hinaus etablieren können. Dazu visiere ich den deutschsprachigen Raum an. Letztes Jahr lud mich die guatemaltekische Botschaft in München zu einer Lesung ein, an der auch zahlreiche diplomatische Vertreter präsent waren. Dank einem dort geknüpften Kontakt hat mich das guatemaltekische Konsulat in Berlin für dieses Jahr ebenfalls zu einer Lesung eingeladen. Insgesamt ist es sehr aufwändig und manchmal auch aufreibend, seinen Wirkungskreis zu vergrössern. Derzeit bin ich auf der Suche nach einem etablierten deutschsprachigen Verlagshaus, das bereit wäre, einen meiner Kurzgeschichten-Bände zu publizieren. Die bisherigen Editionen waren zweisprachig, auf der einen Seite die Fassung in Spanisch, auf der gegenüber liegenden Seite in Deutsch.

Mit der «Casa Latinoamericana» haben Sie in St. Gallen auch etwas aufgebaut, das sich nicht einfach so umpflanzen liesse.

Mit der «Casa Latinoamericana» haben wir einen Raum für interkulturelle Anlässe unterschiedlicher Art und Ausdrucksformen geschaffen. Wir veranstalten dort Kurse in spanischer Sprache, Lesungen, Filmabende und Literaturseminare. Dabei zielen wir sowohl darauf, latinoamerikanische Kultur der hiesigen Bevölkerung bekannt zu machen als auch darauf, die Bevölkerung spanischer Muttersprache auf Schweizer Kultur, insbesondere Literatur, einzustimmen. Um letzteres zu erreichen, führten wir beispielsweise einen Zyklus durch, in dessen Rahmen je Abend das Werk eines Schweizer Autors oder einer Autorin im Zentrum stand; einmal war es Martin Suter, der heute in Guatemala lebt. Wir möchten diese Reihe fortsetzen. Ob dies möglich sein wird, ist noch offen; derzeit fehlen uns die notwendigen Mittel für weitere Bücher, Werbung etc. Allenfalls werden wir sie in Form eines öffentlichen Werkbeitrags generieren können, doch eine sprechende Zusage haben wir noch nicht erhalten.

Da sich die Casa Latinoamericana ausschliesslich über private Mittel unterhält und ihr keinerlei Subventionen zufliessen, ist ihr finanzieller Spielraum sehr begrenzt. Bischer mussten wir mehrere geplante Projekte abblasen oder zumindest aufschieben. Beispielsweise hatte ich die Idee, einen Nachmittag pro Woche psychologische Beratungen für MigrantInnen anzubieten, die sich hier nicht zurecht finden und so die Gelegenheit erhielten, ihre Probleme in der Muttersprache auszudrücken. In Guatemala promovierte ich dereinst nach dem Kunststudium in Psychologie und würde als Berater zu Verfügung stehen. Ich beantragte dafür öffentliche Unterstützung, blitzte aber ab, da es hiess, wir seien keine integrationsspezifische sondern eine kulturelle Einrichtung.

Meine Vision des Zusammenlebens beruht darauf, einander gleich berechtigte Kulturen zusammenzubringen, die sich gegenseitig bereichern und in einer kulturellen Synthese münden, ohne sich dabei selbst zu verlieren. Beschliesst jemand, an einem neuen Ort zu leben, rate ich ihm dringend, die lokale Sprache zu erlernen, da ihm sonst Vieles entgeht.
Da der finanzielle Spielraum der «Casa Latinoamericana» sehr begrenzt ist, mussten wir bisher mehrere geplante Projekte abblasen oder zumindest aufschieben. Beispielsweise hatte ich die Idee, einen Nachmittag pro Woche psychologische Beratungen für MigrantInnen anzubieten, die sich hier nicht zurecht finden und so die Gelegenheit erhielten, ihre Probleme in der Muttersprache auszudrücken. In Guatemala promovierte ich dereinst nach dem Kunststudium in Psychologie und würde als Berater zu Verfügung stehen. Ich beantragte dafür öffentliche Unterstützung, blitzte aber ab, da es hiess, wir seien keine integrationsspezifische sondern eine kulturelle Einrichtung.

Mich interessiert nicht, ob die Mitglieder der «Casa Latinoamericana» mehrheitlich Schweizer oder Lateinamerikanerinnen sind. Wichtig ist mir, dass die Menschen, die an unseren Projekten teilnehmen, solidarisch sind. Unsere sechsköpfige Geschäftsleitung besteht je zur Hälfte aus Schweizern und Lateinamerikanern. 80 Prozent unserer Mitglieder, über deren Beiträge wir uns ausschliesslich finanzieren, sind SchweizerInnen. Es mag etwas überraschen, dass wir bei ihnen stärker Anklang finden als bei den Lateinamerikanern. Vielleicht zementiere ich hier ein Klischee: Für viele Lateinamerikaner kommen Musik, Tanz und Essen vor der Literatur. Denke ich an den rauhen Alltag, der in vielen lateinamerikanischen Ländern vorherrscht, verstehe ich das. Die Gelegenheiten, glücklich zu sein, sind dort selten und müssen deshalb in vollen Zügen genossen werden.

Letzte Woche richteten Sie an der Vernissage zur Maya-Textilausstellung im Völkerkundemuseum Zürich Ihre Grussworte an das Publikum. Sie haben selbst bereits die farbenfrohen Gewänder angesprochen. Erinnere ich mich an Busreisen durch Guatemala, kann ich mir diese Stoffe allerdings nicht ohne ihre TrägerInnen denken, immer in Bewegung. Wie wirkt die museale Präsentation auf Sie?

Ausstellungen mit ethnologischem Fokus sind in den hiesigen Breitengraden verbreitet. Das Interesse gilt den Techniken und Webstilen und ihrer Veränderung über die Jahrhunderte hinweg. Ich sehe darin nichts Negatives, so lange man nicht vergisst, dass hinter den Textilien immer Personen stehen. An der Vernissage vergangene Woche hat mir deshalb gefallen, dass eine Maya präsent war und ein Text der Friedensnobelpreis-Trägerin Rigoberta Menchú vorgelesen wurde.
Spricht man von Guatemala, denken die Leute meist zuerst an den Stamm der Maya. Doch sind sie nicht die einzigen; wir bilden ein Mosaik der Kulturen - Mayas, Mestizen, zu denen ich mich selbst zähle, Weisse und Schwarze. Sie alle müssen lernen, zusammenzuleben und die Hemmschwellen und Hindernisse überwinden, welche in der Vergangenheit entstanden.

www.manuelgiron.ch | www.casalatinoamericana.ch

Vernissage So, 21. Mai 2006, 11.00 - 13.30 Uhr, Galerie Nievergelt

Franklinstrasse 23, 8050 Zürich | www.buch-kunst.ch



Alltags-Zauber

"......Mit der Fantasie spielt der aus Guatemala stammende Maler, Schriftsteller, Psychologe und Videokünstler Manuel Giron.

Auf Spaziergängen und Reisen entdeckt er mit der Kamera Licht- und Schattenspiele, die seine Umgebung aus einer poetischen Perspektive erscheinen lassen. Oft sind es Kleinigkeiten, wie Tautropfen auf einem verwelkten Blatt oder der Schatten einer Skulptur, die sich im Wasser spiegelt - wie beim Gaukler von Max Oertli, der sich in ein nach dem Mond greifendes Ungeheuer verwandelt. Manuel Giron experimentiert gern. In der Ausstellung sind Fotografien von Wasserspiegelungen zu sehen, in denen der Künstler nicht nur natürliche Erscheinungen, sondern auch Effekte mit Farben, Öl und anderen Materialien wie Wein festhält.“

Bis 22.12. 2005

Daniela Hermann | St.Galler Tagblatt , Switzerland



Burleske Alltags-Dramen

Manuel Girón kommt es in St. Gallen zuweilen «spanisch» vor Ankommen in St. Gallen.

Für den Guatemalteken Manuel Girón ist dies ein langer Prozess. Er gewinnt ihm auch heitere Züge ab. Seine Geschichten erzählen davon.


Im Zug nach St. Gallen ist gerade noch ein einziger Platz frei. Und ausgerechnet auf diesen möchte sich der Autor setzen. Der gut gebräunte Manager von gegenüber muss also seine Beine einziehen. Er tuts mit sichtlichem Widerwillen. Die Reise verläuft in eisigem Schweigen. Die Augen des Managers scheinen Blitze gegen den ungebetenen Fahrgast zu schleudern. Und dieser kommt sich wie in einem Western vor, kurz vor dem Showdown.

Für die meisten ist die Fahrt im überfüllten Zug einfach lästig. Manuel Girón erlebt sie als Duell. Wobei die Geschichte eine überraschende Wendung nimmt. Ein freundliches Lächeln zieht am Ende der Wut den Boden unter den Füssen weg.

Kampf um Kinosessel

«Das Duell», die erste Geschichte im eben erschienenen Buch «Frühlingssonnen», hat Manuel Girón kürzlich in St. Katharinen vorgelesen; er auf Spanisch, Beat Dietschi auf Deutsch. Dieser hat dem Buch ein sensibles Vorwort vorangestellt: «Leben in fremder Umgebung schärft alle Sinne. Es lässt Dramen des Alltags wahrnehmen, die niemand sieht, obwohl sie sich unter den Augen aller abspielen . . . » Wobei Girón bemüht ist, auch die heiteren Aspekte der Dramen nicht zu verpassen. So, wenn sich im leeren Kinosaal die zwei einzigen Besucher um den gleichen Platz streiten. Girón ist vor dreizehn Jahren mit seiner Familie nach St. Gallen gekommen. Seither nimmt er den Annäherungsprozess an die Stadt ganz bewusst wahr. Als Psychologe, Autor, Maler sieht und schildert er, wie Fremdes langsam vertraut wird - oder erst recht befremdlich. Seine Bücher erscheinen zweisprachig, sind selber schon eine Brücke, ein Annäherungsprozess.

Ankommen in St. Gallen

Ist der Autor in St. Gallen bereits «angekommen»? In der letzten Geschichte erscheint ihm im Traum ein Fremder, in dem er schliesslich Gallus erkennt; ein Einwanderer, Reisender, Entdecker auch er - und ein Deuter: «Wir bewegen uns alle um die Erde, weil wir Kinder dieser blauen Sphäre sind, die von der Unendlichkeit aus gesehen wie ein Tropfen in einem Meer von Sternen liegt.» Girón nimmt die Umgebung, den Alltag mit allen Sinnen auf. Das sei in Guatemala nicht anders gewesen. Er spürt die Stadt mit all ihren Facetten, hat mit Videos und Fotos dem Stadtpark eine Liebeserklärung gewidmet. Und gleichzeitig nimmt er teil an einem weltweiten Austausch. Er gehört zu den fünfzig Autoren seines Landes, die rund um die Welt leben und sich jede Woche in der grössten Zeitung Guatemalas auf einer Forumsseite zu einem politischen oder kulturellen Thema äussern.

«Wie ein Peter Bichsel»

Dort nimmt er am politischen, in St. Gallen am kulturellen Austausch teil, wach, präsent, nachdenklich und zuweilen verschmitzt. «Wie ein Peter Bichsel», sagt eine Frau, «der zwischen zwei Kulturen geraten ist.»

Manuel Girón: Frühlingssonnen, Soles de Primavera, Alas-Verlag, erhältlich im Rösslitor

Josef Osterwalder

Aus dem TAGBLATT vom Montag, 27. Oktober 2003. Copyright © St.Galler Tagblatt AG | http://www.tagblatt.ch



Das grüne Auge der Stadt

Für Manuel Giron ist der Stadtpark ein Land voller Poesie

Fotos vom Stadtpark sind seit Donnerstag vor der Schalterhalle des Rathauses angebracht. Aufgenommen von Manuel Giron, der seit 1990 in St. Gallen wohnt. Ein Beweise, wie poesievoll dieser Park ist - sofern man seine Reize sieht.

Der Stadt den Spielgel vorhalten, dies ist eine wichtige Aufgabe der Kultur. Hier sieht der städtische Kulturbeauftragte André Gunz auch den Grund, warum die Stadt an Manuel Girons Stadtparkbildern so interessiert ist: «Er spiegelt sich hier in Augen aus seiner fremden Kultur.»

Ein Park für alle Jahreszeiten

Ganz fremd ist Manuel Giron zwar längst nicht mehr. In den 13 St. Galler Jahren hat der gebürtige Guatemalteke die Stadt gut angeschaut, hat die Gewohnheiten der St. Galler nicht nur beobachtet, sondern auch beschrieben, in Essays und Kurzgeschichten. Heute steht er zwischen zwei Kulturen, nimmt an den Diskussionen in seinem Ursprungsland genau so teil wie am Kulturleben seiner neuen Heimat.
Zu den besonderen Lieblingsorten Manuel Girons gehört der Stadtpark. Täglich hat er ihn durchquert, wenn er seine Kinder ins Spelterini zur Schule brachte. Dabei hat er den Park in all seinen Facetten kennen gelernt, in nassen Schleiern an Regentagen, im leuchtenden Schnee am Wintermorgen, in der üppigen Farbenpracht des Frühlings und den langen Schatten, die die Abendsonne über die Parklandschaft wirft.

Auf Du mit dem Gaukler

Ganz besonders haben es ihm die Skulpturen angetan, der Gaukler von Max Oertli, der Trunk von Richard Serra. Die beiden Schalen des Trunks scheinen die Sonne einfangen zu wollen, die Hände des Gauklers greifen hinein in das Blau des Himmels, werfen ihren Schatten über das perlende Wasser im Teich.
Die Bilder sind so poetisch, so bunt, so schön - dass sich André Gunz vor die Frage gestellt fühlte: Kann etwas so durch und durch Positives überhaupt noch Kunst sein. Führt das denn nicht schon beinahe an den Rand des Kitsch? Die Frage stand bei der Vernissage am Donnerstagabend aber nur kurz im
Raum - um gleich wieder verworfen zu werden.
Weit wichtiger ist es für den Kulturbeauftragten nämlich, dass da jemand den Stadtpark mit neuen Augen sieht; dass etwas scheinbar Vertrautes, Alltägliches plötzlich vor unseren Augen neu entsteht.

Die drei Kombinationen

Auge ist auch für Manuel Giron ein Schlüsselbegriff. In einem sensiblen Text deutet er die Bilder aus seiner Sicht: «Das grüne Auge zu betreten ist sehr einfach, denn es gibt verschiedene Eingänge rundum. Jedoch in sein Herz zu gelangen, ist sehr beschwerlich, da es drei geheime Kombinationen zu entziffern gibt, die nur mit Augen voller Neugierde auffindbar sind.»
Mit einem solchen Text vor augen wird auch der Betrachter plötzlich neugierig: auf die Bilder, auf die geheime Kombination, auf die Lösung der Rätsel. Die erste Kombination eröffnet sich dem, der HInhören kann: Sie befindet sich «im Innern der klangvollen Skulptur, trunk genannt. Um sie zu finden, muss man mit den Tönen spielen, bis die Klangkombination gefunden ist, die einem erlaubt, den Halbmond zu entdecken, der sich zwischen ihren Wänden versteckt.»
Das Bild des Mondes führt hin zum Springbrunnen, zum Gaukler, der versucht, «den Mond zu fangen, bevor die Nacht einbricht. Den Tanz seines Schattens auf dem Wasser zu beobachten, mehr mit dem Herzen als mit dem Verstand, und dabei den Schatten des Schattens zu entdecken, gehört zur zweiten Kombination.

Auf dem Weg ins Geheimnis

Bereits hier spürt der Betrachter, dass Giron nicht auf eine glatte Lösung hinzielt, sondern immer mehr ineinführt in eine geheimnisvolle Welt.
«Nachher gehts weiter zu einem Kreuz, das aus zwei langen und zwei kurzen Wegstücken besteht. Ein Blatt in den Regenbogenfarben zu finden, Schatten, die mit dem Licht spielen, den Kopf einer Ameise, Ein- und Ausgänge, Blätter mit Tau und alles, was einem die Vorstellungskraft erlaubt. Wenn das erreicht wird, ist die dritte und letzte Kombination gefunden.»

Josef Osterwalder

Aus dem TAGBLATT vom Samstag, 22. November 2003. Copyright © St.Galler Tagblatt AG


Neue Hoffnung für Guatemala

Das mittelamerikanische Land hat einen neuen Präsidenten

An der Spitze Guatemalas steht künftig ein konservativer Präsident. Der frühere Bürgermeister der Hauptstadt des Landes, Oscar Berger, hat die Stichwahl gewonnen. Unser Autor gibt eine Einschätzung des Wahlresultats aus guatemaltekischer Sicht.

Jedes Mal, wenn in Guatemala ein neuer Präsident gewählt wird, wird eine neue Hoffnung im Herzen des Volkes geweckt und man träumt von einer besseren Zukunft für alle. Leider hat man es bis heute nicht geschafft, diese Hoffnung zu erfüllen, noch neue Erwartungen zu wecken, und man musste jeweils mit der Frustration und der Ohnmacht der Niederlage leben.

Die Wahl Oscar Bergers von der Partei der Grossen Nationalen Allianz (Gana) zum neuen Präsidenten Guatemalas kann der Beginn einer neuen Ära im Lande sein oder aber die Fortsetzung der Unfähigkeit, ein besseres Morgen für die guatemaltekische Bevölkerung zu schaffen. Guatemala verdient eine bessere Zukunft und eine neue Generation von Politikern, die mehr an das Land als an sich selbst denken; visonäre und kreative Politiker, die Begegnungspunkte suchen, um Dialoge und kollektive Beteiligung zu schaffen, eine Beteiligung, in der die Personen eingebunden werden, die fähig sind, eine bessere Zukunft für das Land zu erreichen.
Ungerechtigkeiten beseitigen

Die Herausforderung ist gross, weil die Aufgabe ebenfalls gross ist. Wir alle wissen, dass es nicht möglich ist, alle Probleme und sozialen Ungerechtigkeiten zu lösen, die sich seit dem Sturz von Präsident Jacobo Arbenz 1954 angehäuft haben. Aber wir wissen auch, dass die Gefahr besteht, dass sich das Land wieder polarisiert, wenn diese Probleme und Ungerechtigkeiten weiter wachsen.
Frieden wahren

Die Einhaltung des Friedensabkommens (zwischen der Regierung und der linskgerichteten Guerilla/Red.) ist eine der Hauptaufgaben, denen sich die neue Regierung stellen muss, um die Glaubwürdigkeit der internationalen Gemeinschaft zu erhalten, ohne dabei aber zu vergessen, die Wahlversprechen gegenüber der Bevölkerung zu erfüllen, um das demokratische System zu stärken. Dies ist ein guter Moment für uns Guatemalteken und Guatemaltekinnen, nützen wir ihn und helfen wir mit, eine neue Zukunft für alle aufzubauen.

Der Guatemalteke Manuel Giron ist Psychologe und Sprachlehrer. Er veröffentlichte mehrere Erzählungen. Seit 13 Jahren lebt er in St. Gallen.

Manuel Giron

Aus dem TAGBLATT vom Dienstag, 30. Dezember 2003. Copyright © St.Galler Tagblatt AG


Malerpoesie


1954 IN GUATEMALA GEBOREN, LEBT MANUEL GIRON SEIT ZEHN JAHREN IN DER SCHWEIZ UND ERNEUERT HIER ERZÄHLEND UND MALEND DIE ERINNERRUNGEN AN SEINES LAND.


Lateinamerika ist reich an fantastischen Geschichten: Diese Vorstellung ist Klischee und Wahrheit zu gleich. Die junge Galerie von Maria Isabel Haldner ist der ferne und uns immer noch etwas fremden südamerikanischen Welt verpflichtet . Mit den Arbeiten von Manuel Giron gibt sie uns ein schönes Beispiel. Der vorgestellter Künstler ist poetischer Geschichtenerzähler mit mehreren veröffentlichen Erzählbänder und Maler in einem: Was in der fabulierfreudigen Sprachen seinen Ursprung haben mag, wird ihm nicht zur beiläufigen Illustration, sondern zum vieldeutigen Bild. .Als“Metamorphosen“ charakterisiert er seine neuen Arbeiten .Sie erzählen davon, wie die fast zeitlose magisch-mythische Welt seiner Herkunft in einem von sehr zeitbedingten Trends bestimmen Kunstbetrieb zu bestehen hat. Girons Kunst behauptet sich in einer Zeit, wo letzlich alles und jedes möglich ist, gerade durch die Unbekümmertheit um solche Trends. Lineare Gebilde , im Zwischenbereich von Bild und Sprache , teils auch aus Wortreihen bestehend , heben sich mit fast dekorativem Effekt vor einem schwarzen Hintergrund ab. Bis sie auf einmal eingefahrene Sehgewohnheiten unterlaufen und die Betrachtenden zurückwerfen auf archaisch–fremde Bildwelt die auch und gerade in zeitgemässen „Metamorphosen“ zu irritieren und zu faszinieren vermögen.


Martin Kraft

Tages Anzeiger, Zúrich, 9 de marzo de 2000 | http://www.tagesanzeiger.ch



Gaukler und Träumer

......empezó a contarme que la Ciudad de St.Gallen era muy conocida por su hospitalidad con los emigrantes“,steht in der Kurzgeschichte „Olag“ zu lesen. St.Gallen soll bekannt sein für Gastfreundschaft gegenüber Immigranten? So etwas hört man selten. Doch, für ihn sei das so gewesen, erzählt Manuel Giron. Er und seine Familie hatten seine Heimat damals wegen „politischer Schwierigkeiten“ verlassen, „doch hier bin ich kein Politiker mehr. Heute widme ich mich nur noch der Kunst.“ Und das mit besonderer Vielfältigkeit. Manuel Giron, eigentlich studierter Psychologe , Maler, Fotograf, Videokünstler und nicht zuletzt Schriftsteller. Das wohl bekannteste Sujet seiner Fotografien und Videos ist der Stadtpark mit Max Oertlis Gaukler-Skulptur. Der Stadtpark ist sein Lieblingsort (womit auch klar ist, warum wir uns im Concerto treffen). Er sei oft hier, sagt er. Der Kontakt mit Leuten sei ihm sehr wichtig. Deshalb habe er auch kein Atelier. „Ich arbeite, wo ich nicht alleine bin. Ich geniesse es, in der Stadt zu leben.“ Die Stadt ist es denn auch, die Geschichten für Manuels Bücher liefert. Diese erscheinen auf Spanisch und Deutsch, in der gleichen Ausgabe wohlgemerkt. Sie erzählen von gebräunten Managern, die sich belästigt fühlen, wenn sie im überfüllten Zug den letzten freien Platz nicht mit ihren Füssen belegen können, von leeren Kinosälen, wo man sich dennoch an die Nummerierung von den Plätzen halten muss, davon dass St. Gallen eine Einwanderungsstadt ist(schliesslich wurde sie ja von einem irischen Wandermönch gegründet), und immer wieder erzählen sie vom Träumer.“ Ich bin selbst ein Träumer“, sagt Manuel Giron „Und darum habe ich auch die Casa Latinoamericana, seinem dritten Kind sozusagen. Sie liegt leider etwas gut versteckt , an der Eisengasse, im Innenhof gegenüber vom Figurentheater. Trotz räumlicher Begrenztheit bietet sie Platz für Vieles: Lesungen, Ausstellungen, Filmabende, Sprach-und Literaturkurse. Alle Dinge, die für Manuel das leben in der Stadt lebens wert macht, vereint auf wenigen Quadratmetern. Die Casa versteht sich auch als Integrationsprojekt.“ Alle sprechen immer davon, wie wichtig es ist, Ausländer zu Integrieren und sich gegenseitig kennen zu lernen. Also macht man mal ein Fest, alle sitzen zusammen an einem Tisch, essen gemeinsam exotische Gerichte und dann geht man wieder nach Hause. Und das war’s“ Für Manuel Giron bedeutet Integration mehr, als sich gemeinsam den Bauch voll zu schlagen. Darum finden in der Casa in regelmässigen Abständen Veranstaltungen statt. Die spanischsprachige Bevölkerung soll den schweizerischen näher kommen und umgekehrt. Gut 80 Prozent der Mitglieder sind Schweizer, Fernwehlateinamerikaner. Man hätte die Casa auch Club Latinoamericano nennen können. Die Casa will jedoch anders sein: Eine Casa eben, ein Haus. Ein zu Hause, weit weg von zu Hause.


Noémi Landolt

Aus Ostschweizer Kulturmagazin Seiten vom Oktober 2004 | http://www.saiten.ch



CUBAGUA | Videofilm

Un mosaico de imágenes, jazz y música cubana.

Ein Mosaik von Bildern, Jazz und Kubanische Musik.

A mosaic of images, jazz and Cuban music.

Kuba-Impressionen

«Cubagua» heisst der neue Videofilm von Manuel Girón, den er heute Abend in Katharinen vorstellt. Im dreissigminütigen Film hat Girón Impressionen aus dem Alltag in Havanna versammelt: Strassenszenen, ein  Fest und weitere kleine Beobachtungen aus Kuba. Begleitet sind die Bilder von kubanischer Musik und Jazz. Enthalten ist auch eine Sequenz, die der St. Galler während eines Konzerts des berühmten kubanischen Pianisten Rubén Gónzalez drehte.

Der Titel des Videofilms ist eine Verschmelzung des Namens Kuba mit dem lebensnotwendigen Element Wasser (agua), das die Insel begrenzt. Wasserspiegelungen und Sonnenreflexe im Wasser ist denn auch eines der visuellen Stilmittel, die Manuel Girón - wie bereits in seinem Video über den St. Galler Stadtpark - erneut einsetzt.

Andreas Stock

Aus dem TAGBLATT vom Dienstag, 25. Mai 2004 | http://www.tagblatt.ch




Mit dem Schriftsteller Franz Hohler


Kongresshaus, Zürich, 2’014